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Miami Nights - Leben im Rampenlicht (DSiWare)
Nintendos Online-Service wurde bislang von hochkarätigen Simulationen nicht gerade überschwemmt: Während sich dutzende mehr oder weniger sinnlose Anwendungen und Geschicklichkeitsübungen im Pool vergnügen, stehen komplexere Spiele eher beleidigt am Rand. „Miami Nights – Leben im Rampenlicht“ verspricht zumindest auf dem Papier eine gewisse Erfrischung: Dabei soll es sich um eine Lebenssimulation im Stile des großen Vorbildes „The Sims“ handeln. Ob allerdings diese Portierung eines ehemaligen Handyspiels für 800 Nintendo-Punkte die darbende Gemeinschaft zufrieden stellen kann, darf doch wohl bezweifelt werden, oder?

Der Einstieg ist trotz alledem logisch und passend: Verratet dem Spiel euren Namen, schießt mithilfe der Kamera ein Foto von euch und erstellt dann in einem rudimentären Charaktereditor euer Alter Ego. Kein Monstrum erwartet euch hier wie beispielsweise in modernen Sportspielen, vielmehr geht es um die grundlegenden Dinge wie Ober- und Unterbekleidung und die Frisur. Zugegeben, allzu viel ist das nicht, aber aufgrund der 2D-Darstellung aus der isometrischen Von-Oben-Ansicht ließe sich sowieso nicht viel anderes erkennen. Und mal ehrlich: Was interessiert uns der Abstand zwischen den Augen und die Ausprägung der Wange? Wie dem auch sei, kurz darauf bestimmt ihr eure angestrebte Karriere: Schauspieler, Sänger, Topmodell, Politiker, Sportler oder Star. Ja, man kann tatsächlich den gesellschaftlich sehr anerkannten Beruf des „Stars“ in diesem Spiel nachempfinden. Toll. Es wird vermutet, dass GameLoft diesen „Beruf“ nur eingebaut hat, weil man dann im Menü fein die sechs Berufe in zwei Spalten schreiben kann. Mit nur fünf Berufen sähe es ja doof aus. Doch scheren wir uns nicht darum, denn diese Auswahl wird für den Fortgang des Spiels sowieso irrelevant sein. Die Story dreht sich darum, dass Karl-Heinz (so der treffende Name meines „Stars“) eines Nachts den Traum hat, ein Star zu sein – man o man! Als er aufwacht, entdeckt er allerdings, dass er ein Loser ist, und nimmt sich nun vor, alles daran zu setzen, seinen Traum zu verwirklichen. So weit, so sinn- und belanglos.

Im Folgenden lotst euch die nette „Bree“ durch das Spiel. Sie weist euch darauf hin, dass ihr aufgrund erhöhten Alkoholkonsums in der Nacht zuvor stinkt wie ein Mader und dass ihr eben deswegen nun duschen solltet. Außerdem fordert sie euch auf, eure Wohnung gefälligst mal umzugestalten. Punkt 1 der Tagesordnungliste ist schnell erledigt: Wie aus den DS-Zeldas bekannt, dirigiere ich Karl-Heinz mit dem Stylus wenig elegant in die Dusche. Das funktioniert, ist allerdings auf Dauer viel sperriger und weniger direkt als bei Nintendos grünem Zipfelmützenträger. Deshalb wechsle ich schnell die Fingerposition und steuere fortan mit dem Steuerkreuz. Statt die Charaktere anzutippen, drücke ich A zum Reden und so weiter. Das funktioniert gleich viel eingängiger und dank schnell begreifbarer Shortcuts, hat man alle wichtigen Werkzeuge zügig griffbereit. Dank Kontextsensitivität (vor der Dusche stehend bewirkt A-Drücken das Duschen, vor der Toiletten bewirkt das A-Drücken den Gang aufs Klo usw.) kann ich den Ekelfaktor meines Alter Egos also dramatisch senken. Frisch geduscht offenbart „Miami Nights“ also sein Innerstes: Gefühlt 10.000 verschiedene Attribute müssen ständig im Auge behalten und pfleglich behandelt werden. Während die Uhr des Spiels unablässig tickt, verändern sich diese Statuswerte teils von allein. Das Duschen bewirkte beispielsweise, dass Karl-Heinz‘ Bewertung in Sachen „Hygiene“ von 13 auf 79 steigt (auf einer Skala von 1-100). Je länger ich mich aber in der Folge nicht wasche, desto tiefer sinkt die Zahl natürlich auch wieder. Logisch. Auch logisch, aber umständlicher verhält es sich mit dem Harndrang. Der muss natürlich bei Zeiten auf dem Örtchen befriedigt werden, dieser Gang verringert aber zugleich den Hygiene-Wert. Händewaschen wird also erforderlich. Noch vertrackter ist es mit dem Hunger. Der Burger aus dem Kühlschrank stillt zwar den steigenden Hungerwert, reißt aber den Balken, der eine möglichst hohe Fitness anzeigen sollte, derbe in den Keller. Salate oder anderes gesundes Essen macht aber nicht nur weniger satt als ein Burger, sondern kostet auch noch ein halbes Vermögen. Und Geld will erst einmal verdient werden. Dies braucht es auch, um Punkt 2 der To-do-Liste von Bree zu erledigen, nämlich die Wohnungsumgestaltung. Dass auch der Vermieter zu Beginn des Spiels nicht ganz zufrieden mit Karl-Heinz ist, könnt ihr euch sicherlich denken. Das System der beinahe unendlichen Statuswerte wirkt nur auf den ersten Blick erschlagend. Gameloft hat sich immerhin bemüht, möglichst logische Zusammenhänge zu schaffen, die ohne weitere Erklärung leichtgängig ineinander greifen. Ihr bleibt dadurch – ein wenig Ehrgeiz vorausgesetzt – immer in Beschäftigung und könntet euch theoretisch auch nur um die Erfüllung alltäglicher Dienste kümmern. Leider ist das kaum nötig, denn ihr werdet weder für gute Werte belohnt, noch für schlechte wirklich bestraft.

Geld verdient ihr euch im weiteren Verlauf durch stetig besser werdende Jobs. Spült ihr am Anfang noch für ein paar Dollar die Teller der hiesigen Kneipe, könnt ihr später z.B. als Model herhalten und euer Geld mit Nichtstun ergattern. Schade ist, dass diese kleinen Aufgaben nicht durch Minispiele aufgelockert werden. Ihr müsst meistens lediglich die richtige Person ansprechen, euch vor das Objekt stellen und dann „A“ drücken. Sind eure Werte ausreichend, saust die Uhr einige Stunden vor und die Aufgabe ist erledigt. Um die angesprochenen „besseren“ Jobs zu bekommen, bedarf es meistens einiger Überredungskünste, dem zweiten Kerninhalt des Spiels. Auf den Straßen flanieren mehr oder weniger interessante Personen, die ihr alle ansprechen dürft. Zwei Infos bekommt ihr über diese Leute: Zum einen erhaltet ihr eine ziemlich kurze und sinnfreie Beschreibung des Charakters geliefert. Jennifer beispielsweise, auf die Karl-Heinz ein Auge geworfen hat, ist „intelligent…mag Kultur“. Aha, schön für sie. Zum zweiten zeigen bis zu fünf Sterne an, dass sie euch verfallen ist. Da Karl-Heinz weder Ruhm noch Geld vorzuweisen hat und wir noch gar nicht mit ihr gesprochen haben, steht diese Anzeige natürlich auf null. Gespräche laufen immer gleich ab: Ich kann mich mit ihr über Sachthemen unterhalten, ihr Komplimente machen, ihr etwas geben (Geschenk, Telefonnummer, Einladung) oder sie ärgern. Interessanterweise kann all dies mein männlicher Karl-Heinz auch bei den anwesenden Männern tun. Homosexuellen Partnerschaften bietet das Spiel also ebenso ihren Spielraum. Diese „Gespräche“ sind leider auf Dauer ziemlich nervig und wenig ergiebig. Echte Antworten gibt es sowieso nicht, lediglich der Gesichtsausdruck des Gegenübers macht dessen Reaktion deutlich. Diese scheint allerdings meistens ziemlich wahllos ausgesucht zu sein, denn warum zum Teufel möchte die angeblich intelligente Frau sich mit mir nicht über Politik unterhalten, wohl aber übers Kino. Positive Reaktionen fördern übrigens den Balken des Statuswertes „Charisma“, eine Abfuhr nach der anderen oder Reibereien mit anderen Männern führen zu Abzügen.

Und so plätschert das ganze Spiel so munter vor sich hin. Auf der Suche nach Gesprächspartnern, die eure Freundin Bree euch eigentlich das ganze Spiel über vorgibt, durchstreift ihr mehrere fein gezeichnete Gebiete der Stadt, immer wieder unterbrochen von nervigen Klick-Aufgaben. Ein Wechsel vom Schlafzimmer ins Wohnzimmer erfordert beispielsweise auch bei Tastensteuerung eine Bestätigung. Zwischendurch erfreut ihr euch immerhin an einigen witzigen Animationen, wenn Karl-Heinz sich den Bauch reibt, weil er Hunger hat, oder wenn euer Gegenüber sich besonders über euch amüsiert. Musikalisch wird belangloses, in Dauerschleife leicht nerviges Gedudel präsentiert, welches aber immerhin durch eine einigermaßen abwechslungsreiche Geräuschkulisse (fahrende Autos, Hintergrundgemurmel etc.) aufgewertet wird. Lang stört ihr euch daran aber nicht, denn ehe ihr euch verseht, ist der Spaß auch bereits wieder vorbei. Wie erwähnt, wird Bree euch durch das gesamte Spiel führen und nicht wie zunächst angenommen nur durch das Tutorial. Nach ein paar Gesprächen, Jobs und Flirts wird Karl-Heinz stumpf zum „Star“ erklärt und die Geschichte ist vorbei. Zwar dürft ihr danach weiter durch die Straßen schlendern, wirkliche Lust dazu wird aber kaum jemand verspüren.

Fazit:
Irgendwie war doch klar, dass das einzige vermeintlich komplexe Genre mit unendlicher Freiheit auf DSiWare zu einem kurzen und sehr beschränkten Vergnügen wird, oder? „Miami NIghts“ macht nicht so viel verkehrt, technisch macht es eine gute Figur, inhaltlich bietet es theoretisch all das, was seine großen Brüder auch bieten. Doch vermiest vor allem die unendlich eintönige Gesprächsführung die gute Grundidee und hält den Spieler davon ab, tiefergehend Hand an dieses Objekt zu legen. Die Statuswerte sind logisch miteinander verknüpft und bilden mehr oder weniger korrekt die menschlichen Bedürfnisse und charakterlichen Facetten ab. Nur was bringt das alles, wenn diese keine Auswirkungen zeigen? Überspitzt gesagt, besteht eure einzige Beschäftigung also darin, in der Gegend herum zu laufen und unendlich öde Gespräche zu führen, um nach ein bis zwei Stunden verkündet zu bekommen: „Du bist jetzt ein Star!“…bzw. Schauspieler, Sänger, Topmodell…. ihr seht, der Wiederspielwert wird durch die unterschiedlichen Berufe auch nicht gerade verbessert. (Hendrik)

Pluspunkte:
+ theoretisch „großer Sandkasten“
+ zwei Steuerungsvarianten (Stylus/ Tasten)
+ viele logische Statuswerte…
+ sympathische Comic-Grafik

Minuspunkte:
- Berufswahl ohne Bedeutung
- Geld verdienen ohne Minispiele
- …deren Beachtung keine Konsequenz bewirkt
- eintönige Gesprächsmechanik
- Ortswechsel mit Klick-Nötigung
- kurze Spielzeit der Story

Wertung:
Einzelspieler: 4,0

Screenshot 1

Screenshot 2

Preis: 800 Nintendo Punkte

news@mag64.de (24.11.2010)

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